CFK, Garn, Geldscheine: 20 x 10-Euro-Scheine, 1 x 200-Euro-Schein
ca. 5 x 5 x 1,5 m
2012
Bewegung in den Fischteich bringen
Zu Ralf Kopps Mobile-Installation "Gleichgewichtsanalyse"
Die Kunstgeschichte der letzten fünfzig Jahre zeigt: Banknoten eignen sich nicht nur zum Bezahlen von Brot und Butter; man kann sie auch übermalen oder in Acrylglas gießen, Collagen aus ihnen puzzeln oder Ludwig-Erhard-Zigarren pressen, man kann sie im rabiatesten Falle mit Schwefelsäure traktieren oder kleinschreddern, um ein Haus daraus zu bauen. Nicht weil er zurückschrecken würde vorm Tabu der Geldzerstörung, ist Ralf Kopp behutsamer zu Werke gegangen. Sein Mobile aus 20 Zehn-Euro-Scheinen und einem 200-Euro-Schein funktioniert künstlerisch nur, weil er sein Material intakt lässt.
Auf den ersten Blick nimmt ein die fragile Eleganz, die man erwarten sollte von einem Mobile als - laut Wikipedia - "frei hängendes, ausbalanciertes, leichtes Gebilde, das von einem schwachen Luftzug bewegt wird". Seine Elemente drehen sich an ihren Karbonbügeln umeinander, jeder der Zehn-Euro-Scheine sogar um sich selbst. Man mag sich an Fische erinnert fühlen, die in einem stillen Teich ihre Runden ziehen. Gleichzeitig vergisst man nie, dass es sich da, anders als bei den klassischen Mobiles eines Alexander Calder, nicht um die Poesie abstrakter Formen und reiner Bewegung handelt.
Bevor ihnen eine künstlerische Funktion zugewiesen wird, haben Banknoten, dieses Schmiermittel des Warenaustauschs, ja stets eine genau festgelegte und wertmäßig gestaffelte Funktion in der Welt "da draußen". Die dreht sich in Kopps Mobile zuhäupten des Publikums permanent mit. Und in den Köpfen beginnt automatisch jenes Grübeln über das Verhältnis von "großem" Schein und "kleinen" Scheinen, das im Titel der über viele Kubikmeter ausgreifenden Installation ausgewiesen ist als "Gleichgewichtsanalyse". Bläst oder tippt man sie an, gleichen die Scheine in ihrem Verhalten den Posten einer dreidimensionalen Vektorrechnung - gemäß Gewicht, Raumposition, Bewegungsrichtung, Fläche, Luftwiderstand. Die Ordnung, die Balance, das rotatorische Gleichgewicht des Ganzen erfährt eine temporäre Störung.
Freilich nach der Maßgabe, dass das In-Bewegung-Versetzen eines Zehn-Euro-Scheins den 200-Euro-Schein kaum aus der Ruhe bringt, umgekehrt das Antippen des letzteren den ganzen Schwarm der Zehn-Euro-Scheine trifft. Darin drückt sich nichts anderes aus als ein Kräfteverhältnis, das man sofort vom monetär-quantitativen in einen gesellschaftlich-qualitativen Kontext zu übertragen versucht ist. Aus dem dicken gelben Fisch, in der Zoologie zweifellos ein Räuber, der aus in Sicherheit wiegendem Abstand lauernd seine rosa Beute umkreist, wird...
Ja wer? Doch die Interpretation seines Mobiles überlässt Ralf Kopp immer noch dem Betrachter. Andererseits hat er das Werk gewiss nicht von ungefähr geschaffen in Zeiten einer chronischen globalen Finanzkrise und eines sich dagegen formierenden Widerstands, der von unten, sozusagen von den kleinen Fischen kommt. Die Demonstranten im Bankenviertel sähen sich gewiss bestätigt von der Möglichkeit, die Kopp angelegt hat, um die Dominanz des 200-Euro-Scheins auszuhebeln und im Mobile eine Wertäquivalenz herzustellen. Wenn nämlich alle Zehn-Euro-Scheine sich in eine gemeinsame Richtung bewegen. Oh - wird deswegen in den Nachrichten immer von Occupy-Bewegung gesprochen? Der Künstler verrät, ihm sei im nachhinein erst aufgegangen, was in seinem Werk "alles an Aussagen steckt". Schon denkt er darüber nach, wie Mobiles aussehen könnten, die die Heiligen Schriften der Menschheit, ihre Drogenkartelle oder Massenvernichtungswaffen einer Gleichgewichtsanalyse unterziehen.
© Roland Held 2012
Die Installation "Gleichgewichtsanalyse" ist als Mobile aufgebaut. Auf der einen Seite schwebt ein 200-Euro-Schein und auf der anderen Seite schweben zwanzig 10-Euro-Scheine. Auf 2 gegenüberliegenden Seiten befindet sich also der gleiche Wert - und veranschaulicht die Resonanz im Kräfte- und Machtverhältnis, wenn dieses in Bewegung versetzt wird. Wie z.B. das Kräfteverhältnis von niedrigem zu hohem Einkommen. Wird der 200-Euro-Schein minimal bewegt, ergibt das auf der 10-Euro-Scheine-Seite viel Bewegung. Wird andererseits ein einzelner 10-Euro-Schein bewegt, ergibt das auf der 200-Euro-Schein-Seite kaum Bewegung. Werden allerdings alle 10-Euro-Scheine in eine gemeinsame Richtung bewegt, ergibt das unweigerlich auch eine Bewegung auf der 200-Euro-Schein-Seite. Kopp geht in seiner Geld-Metapher und Gleichgewichtsanalyse davon aus, das man mehr bewegen kann, wenn man "wenig" in einem Netzwerk bündelt.
© Text Florinda Ke Sophie, Graz 2011